glassy look

Nördlich von Athen, auf gut tausend Metern Höhe im Gebirge Parnitha, bewegen wir uns durch die Ruinen eines ehemaligen Sanatoriums, das später als Hotel und Schule für Tourismus diente. Der Putz bröckelt von den Wänden, Regenwasser sammelt sich in kleinen Pfützen, durch die Betonsäulen öffnet sich der Blick in die grüne Ebene unter uns. Mitten in diesem Verfall entdecken wir an einer maroden Wand das Graffito dieses Augenpaares. Der gläserne Blick scheint zum Himmel über Athen gerichtet zu sein, als würde er all die Geschichten der Menschen bewahren, die hier einst Heilung oder Erholung gesucht haben. Das Sanatorium wurde zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts erbaut, als die klare Bergluft als Hoffnung für Lungenkranke galt, und im weiteren Verlauf als Hotel sowie als Tourismusschule genutzt. Mit dem Wandel der Zeit verlor der Ort seine Funktion, Türen blieben verschlossen, Fenster zerbarsten, und die Natur begann, sich ihren Raum zurückzuerobern. Heute sind die leeren Flure ein Anziehungspunkt für Fotografen und Graffitikünstler, die im Verfall eine neue Form von Ausdruck finden. Vorsichtig setzen wir einen Schritt vor den anderen, hören den Wind durch die kaputten Lamellenfenster pfeifen und riechen Staub, Feuchtigkeit und Beton. Für einen Moment bleiben wir stehen und lassen den Kontrast wirken zwischen dem strengen Raster der Betonsäulen, den unregelmäßigen Rissen im Mauerwerk, dem Schutt zu unseren Füßen und dem fast lebendigen Ausdruck der Augen, die uns aus der Wand heraus anblicken. In diesem Augenblick verschmelzen für uns Vergangenheit, Gegenwart und Street Art zu einer stillen Szene, in der sich menschliche Erinnerung und künstlerischer Ausdruck begegnen, bevor wir die Kamera heben, den Bildausschnitt suchen und den Auslöser betätigen.