golden stairway

Im goldenen Abendlicht betraten wir einen Raum, der noch nicht vom Glanz der Restaurierung berührt wurde. Mitten in der verfallenen Schönheit des Schlosses Krowiarki entdeckten wir eine kunstvolle, halb zerfallene Treppe – ein Motiv, das uns sofort in seinen Bann zog. Der Staub vergangener Jahrzehnte lag wie ein Schleier auf dem Geländer, während sich das Sonnenlicht in den verblassten Ornamenten brach. Es war einer dieser seltenen Momente, in denen ein Ort zu uns spricht – ohne Worte, aber mit Kraft.

Das Schloss Krowiarki – auch bekannt als Schloss von Krawarn – befindet sich im Süden Polens, in der Region Oberschlesien. Seine Ursprünge reichen bis ins 17. Jahrhundert zurück, doch seine heutige Gestalt erhielt es durch weitreichende Umbauten im 19. Jahrhundert. Die bedeutende Adelsfamilie Henckel von Donnersmarck, die über großen Einfluss in Oberschlesien verfügte, ließ das Schloss im Stil der Neorenaissance umbauen. Besonders auffällig ist der hohe, turmartige Mittelbau, der zusammen mit der reich verzierten Fassade das Erscheinungsbild des Anwesens prägt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss verstaatlicht und über Jahrzehnte hinweg als Krankenhaus und Pflegeanstalt genutzt. Mit dem politischen Wandel nach 1989 begann eine Phase des Verfalls – wie so oft bei einst herrschaftlichen Bauten im Osten Europas. Erst in den letzten Jahren hat man mit der behutsamen Renovierung begonnen. Manche Bereiche erstrahlen bereits in neuem Glanz, andere – wie der Raum mit der Treppe – tragen noch die Spuren der Vergangenheit.

Gegen eine kleine „Spende“ wurde uns gestattet, uns auf dem Gelände frei zu bewegen. Es war keine offizielle Führung, keine sterile Barriere – nur ein freundlicher Hinweis und ein ehrliches Lächeln. Diese Form der Gastfreundschaft erleben wir auf unseren Reisen durch Osteuropa immer wieder. Es braucht nur ein wenig Interesse, ein paar höfliche Fragen – und schon werden Türen geöffnet, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne.

Nicht selten laden uns die Nachbarn solcher Herrenhäuser zu sich nach Hause ein. Man trinkt zusammen Tee, manchmal Wodka, und spricht über die Geschichte des Ortes, über Schicksale, Wandel und Hoffnung. Diese Begegnungen sind für uns das Herzstück jeder Reise. Deshalb führen wir fast immer eine Flasche guten deutschen Wein mit – als kleines Dankeschön für diese Herzlichkeit und Offenheit. Die Treppe im Schloss Krowiarki war für uns an diesem Abend nicht nur ein fotografisches Highlight. Sie wurde zum Symbol für das, was wir an Lost Places so sehr lieben: das Spannungsfeld zwischen Verfall und Erinnerung, zwischen Geschichte und Gegenwart – und zwischen all dem die leisen menschlichen Momente, die diese Orte mit Leben füllen.